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13.10.2025

Phuongs Geschichte

Phuongs Geschichte

Ein beeindruckender Projektpartner

Heute möchten wir Ihnen die Geschichte eines Agent-Orange-Betroffenen vorstellen, der trotz widrigster Umstände sein Leben erfolgreich gemeistert hat.

Nguyen Ngoc Phuong wurde am 6. April 1981 im Dorf Chau Son 1, Gemeinde Que An, in der Nähe des Duong-La-Bergs, Provinz Quang Nam, geboren.  Er war noch keine sieben Monate alt, wog nur 800 Gramm und war unter 20 Zentimeter gross – das entspricht rund einem Viertel des Gewichts eines durchschnittlichen Neugeborenen und weniger als der Hälfte der durchschnittlichen Körpergrösse.

Phuong verbrachte seine Kindheit auf einem Hügel, umgeben von dichtem, düsterem Grün. Während andere Kinder zur Schule gingen, war er ständig krank. Er war bei seiner Geburt sehr klein und konnte nichts lernen. Manche Eltern warnten ihre Kinder davor, mit ihm zu spielen – mit dem Kind, das den ganzen Tag nur vier Wände anstarrte.

Damals kannte niemand die Ursache seiner Behinderung. Einige meinten, es handle sich um einen Fluch, der den Eltern das Schicksal ein behindertes Kind eingebracht habe, weil ihre Vorfahren in früheren Leben Schuld auf sich geladen hätten. Die Ausgrenzung durch die Gemeinschaft und die Hoffnungslosigkeit waren der ständige Begleiter der Familie.

1987 wurde Phuongs jüngere Schwester Nguyen Thi Hieu geboren – ebenfalls mit einer Behinderung. Die Familie lebte in grosser Armut. Die Eltern litten sehr, aber anders als andere Eltern, die ihre Kinder mit Behinderungen verstossen, wollten sie alles versuchen, um ihnen eine Behandlung zu ermöglichen.

Im Alter von etwa 9-10 Jahren konnte Phuong nachts nicht schlafen. Ständig hörte er seine Mutter husten und fühlte tiefes Mitleid mit ihr. Eines Tages kamen ehemalige Kameraden des Vaters zu Besuch. Sie erklärten ihm: „Du warst Agent Orange ausgesetzt – deshalb sind deine Kinder behindert.“

Damals wollte Phuong sterben, nur um das Leid seiner Mutter zu beenden. Gleichzeitig fühlte er aber auch, dass er sie nicht verlassen konnte – sie hatte ihn all die Jahre grossgezogen. Mit 11 Jahren fasste er einen Entschluss: Er wollte sein Dorf verlassen, um unabhängig zu werden und sein Leben zu verändern.

Der Weg in ein selbstbestimmtes Leben 

Die Liebe seiner Eltern, aber auch die Ausgrenzung und der Schmerz gaben Phuong den Willen, sein Dorf zu verlassen und in die Stadt zu gehen, um einen Beruf zu erlernen.

Wegen seiner Kleinwüchsigkeit wurde er zunächst nirgendwo aufgenommen. Also beobachtete er bei Gasnachfüllstationen, wie man Feuerzeuge mit Gas befüllt. Mit dem Geld, das er zu (Mond-)Neujahr geschenkt bekommen hatte, kaufte er sich Werkzeug und ein leeres Feuerzeug. Er begann, Feuerzeuge seiner Nachbarn und seines Vaters wieder aufzufüllen.

In seinen frühen Teenager-Jahren besuchte er eine Ausbildung zum Uhrmacher.

Als er zwischen 19 und 20 Jahre alt war, ging Phuong nach Ho-Chi-Minh-Stadt, um eine Lehrstelle in einer Elektronikwerkstatt zu bekommen. Der Chef sah sich den ordentlich gekleideten jungen Mann an und rief seine Frau: „Schatz, da ist ein Ausserirdischer – soll ich ihn als Lehrling nehmen?“

Nach einer Probezeit gab der Chef ihm zwölf Boxen mit unterschiedlichsten Schrauben. Er sortierte sie alle sorgfältig. Der Chef war beeindruckt und sagte: „Ich brauche nur deinen Kopf – den Rest nicht.“ Er bot ihm eine Ausbildung an – mit derselben Bezahlung wie alle anderen.  Er blieb zehn Jahre.

Doch trotz aller Widrigkeiten und dank seiner Entschlossenheit und Ausdauer ist Phuong heute Lehrer. Er unterrichtet und begleitet dutzende Kinder, die ähnliche Schicksale wie er erlitten haben.

Ein Leben voller Mut 

Das Leben und der unerschütterliche Wille von Nguyen Ngoc Phuong und seiner Schwester Nguyen Thi Hieu zeigen eindrucksvoll, wie Menschen trotz schwerster Umstände Hoffnung und Stärke finden können.

Heute betreut Nguyen Ngoc Phuong Agent-Orange-Betroffene und andere benachteiligte Kinder und Jugendliche in einer von Green Cross Switzerland unterstützten Tagesstätte der DAVA (Da Nang Association for Victims of Agent Orange) in der Stadt Da Nang.

Viele sind nicht so stark wie er – hier helfen wir!

Die positive Wendung, die Phuongs Leben nahm, wäre für viele Betroffene in einer vergleichbaren Situation nicht möglich gewesen. Nur dank seiner Willenskraft, seiner Intelligenz und der Liebe seiner Eltern hat er es geschafft. Viele andere Opfer von Agent Orange hoffen vergeblich auf Hilfe und ihr Leben nimmt oftmals einen tragischen Verlauf.

Mit unserem vielfältigen Engagement in Vietnam setzen wir uns als Green Cross Switzerland seit über 25 Jahren dafür ein, dass diese Menschen nicht vergessen werden und die Unterstützung erhalten, die sie verdienen. Dank der Solidarität unserer Spenderinnen und Spender können wir zahlreiche Leben auf Dauer zum Guten verändern.

Das Foto in diesem Artikel stammt von Roland Schmid.

10.10.2025

World Mental Health Day

World Mental Health Day

Heute, am 10. Oktober, begehen wir den 34. Welttag für psychische Gesundheit («World Mental Health Day»). Dieser Welttag wurde erstmals 1992 auf Initiative des Weltverbandes für psychische Gesundheit («World Federation for Mental Health») organisiert, einer globalen Organisation mit Mitgliedern und Kontakten in mehr als 150 Ländern.

Für Green Cross Switzerland (GCCH) ist dies ein Anlass, um auf die dramatische internationale Situation der psychischen Gesundheit und auf unser Engagement in diesem Bereich aufmerksam zu machen. Es ist davon auszugehen, dass sich die seelische Verfassung der Menschheit in den letzten Jahren insgesamt nicht verbessert oder sogar verschlechtert hat. Die Gründe dafür sind vielfältig. Hervorzuheben ist der schmerzliche Umstand, dass junge Menschen besonders stark von psychischen Leiden betroffen sind: Gemäss UNICEF haben die Auswirkungen von Krieg und Gewalt auf Kinder weltweit ein noch nie dagewesenes Ausmass erreicht.

Gerade in den weniger wohlhabenden Ländern und Regionen, wo Organisationen wie GCCH aktiv sind, hoffen unzählige Millionen Menschen, die auf psychologische Unterstützung angewiesen wären, vergeblich auf Hilfe. Einer der Treiber der psychischen Belastung sind die vielen menschengemachten Katastrophen – ob aktuelle Ereignisse wie der Ukrainekrieg oder länger zurückliegende wie der schwere Reaktorunfall von Tschernobyl (1986) und der Vietnamkrieg (1955-75). Leider haben auch die letztgenannten Ereignisse Jahrzehnte später noch brandaktuelle und sehr gravierende Spätfolgen. GCCH leistet einen möglichst grossen Beitrag zu ihrer Bewältigung.

Unser psychologisches Unterstützungsprogramm in der Ukraine wurde Anfang 2024 lanciert. Es ist auf Dauer angelegt und wird stetig ausgebaut. Aktuell (Stand: Oktober 2025) werden bereits über 1000 Personen an vier verschiedenen Standorten betreut. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Kinder und Jugendliche – entsprechend der Erkenntnis, dass sie besonders anfällig für die psychischen Belastungen und Traumata sind, welche die Kriegsgräuel mit sich bringen.

Wie dringend Unterstützung gebraucht wird und was sie für die Betroffenen bewirken kann, möchten wir anhand von ein paar Beispielen verdeutlichen:

  • Cherson: Ein achtjähriger Junge, der psychologische Unterstützung erhielt, begann ohne erkennbaren Grund zu weinen, beim Spielen oder während einer Therapiesitzung. Auf die Frage „Was ist los?“ antwortete er: „Wir werden alle sterben, sie bringen uns um.“ Dann wurde in einem geschützten Rahmen einzeln mit ihm gearbeitet. Er lernte, sich mit seinen Ängsten auseinanderzusetzen. Langsam liess die Angst nach. Der Junge begann zu lächeln und reagiert nun gelassener auf laute Geräusche.
  • Nowhoord-Siwerskyj: Die 62-jährige Tatiana suchte Hilfe bei unserer Psychologin. Vor einem halben Jahr war ihr Schwiegersohn im Krieg ums Leben gekommen, und sie wusste nicht, wie sie ihrer Tochter und ihrem 5-jährigen Enkel helfen sollte, diesen Verlust zu verkraften. Dank der psychologischen Begleitung gelang es Tatiana, die Trauer ihrer Tochter und ihres Enkels zuzulassen und ihnen Raum dafür geben. Sie lernte, das Gespräch über den Verstorbenen zu suchen, ihre Angst davor abzulegen und Erinnerungsrituale zu schaffen. Auch die Tochter wurde von der Psychologin begleitet. Die Angehörigen lernten so Schritt für Schritt, den Verlust besser zu verarbeiten und in Liebe dem Verstorbenen zu gedenken.
  • Tschernihiw: Ein fünfjähriges Mädchen musste mit ihrem Bruder und ihrer Mutter ihr Zuhause verlassen. Im neuen Kindergarten wollte sie anfangs nicht sprechen, verweigerte Spiele und Essen. Sie vermisste ihren Vater sehr, der in der alten Heimat geblieben war. Nur langsam, mit der Unterstützung von Erwachsenen, einer Psychologin und neuen Freundinnen, begann sie wieder zu lachen und gewann Lebensfreude zurück. Jetzt besucht sie die Gruppensitzungen mit Begeisterung, ist kommunikativer geworden und lernt durch kreative Aufgaben, mit ihren Emotionen umzugehen.

Weitere Informationen zum psychologischen Unterstützungsprogramm in der Ukraine finden Sie hier.

In der vietnamesischen Provinz Quang Tri stehen wir Menschen mit Behinderungen bzw. «Persons with disabilities» oder kurz PWDs bei. Die Behinderungen dieser Menschen sind auf Agent Orange und andere Spätfolgen des Vietnamkriegs wie z.B. nicht explodierte Bomben und Minen in den Böden zurückzuführen. In Quang Tri sind diese Spätfolgen besonders stark präsent. Aufgrund von physischen, psychologischen und sozialen Faktoren sind die betroffenen Menschen einem höheren Risiko für psychische Leiden ausgesetzt. Tragischerweise haben sie gleichzeitig oft einen schlechteren Zugang zu psychologischer Unterstützung als andere Bevölkerungsgruppen.

All diese Faktoren wirken zusammen und beeinflussen das psychische Wohlbefinden von PWDs, die häufig unter chronischem Stress, Angstzuständen und anhaltender Traurigkeit leiden.

Wie in der Ukraine ist es zentral, Risikofaktoren für psychische Störungen früh zu erkennen und geeignete Massnahmen zu ergreifen. Dies kann dazu beitragen, die allgemeine Gesundheit zu verbessern, langfristige Schäden zu verhindern und die Belastung des Gesundheitssystems zu verringern.

Viele Betroffene sind ängstlich, fühlen sich sozial isoliert und haben wenig Selbstvertrauen. Zu diesen Herausforderungen kommen in der Gesellschaft weit verbreitete Missverständnisse und Vorurteile betreffend Behinderungen und psychische Gesundheit hinzu. Beispielsweise besteht die falsche Vorstellung, dass Menschen mit geistigen Behinderungen oder psychischen Leiden „verrückt” sind, was dazu führen kann, dass sich diese Menschen zurückziehen, um einer Stigmatisierung zu entgehen.

Die finanzielle Belastung ist ein weiteres grosses Problem, da die Kosten für Behandlung, Medikamente, Rehabilitation, Transport und den Lebensunterhalt hoch sind. Darüber hinaus fehlt es oft das Wissen und die Fähigkeiten, die für eine effektive Pflege erforderlich sind.

Um den Betroffenen dringend benötigte Erleichterung zu bringen, arbeiten wir seit Ende 2024 mit unserer Partnerorganisation ACDC («Action to the Community Development Institute») zusammen. Die Projektarbeit umfasst vielfältige Massnahmen.

Schulungen: In diesen eignen sich lokale Gesundheitsfachkräfte, z.T. selbst PWDs, ein umfassendes Verständnis der psychischen Gesundheit und der psychologischen Bedürfnisse von PWDs an. Sie erwerben die notwendigen Fähigkeiten, um Betroffene psychologisch unterstützen und beraten zu können. Darüber hinaus lernen sie, Screening-Instrumente einzusetzen, um Menschen mit Behinderungen und ihre Familienangehörigen zu identifizieren, die möglicherweise mit psychischen Problemen zu kämpfen haben. Schliesslich werden die Teilnehmenden in die Lage versetzt, Gruppensitzungen zur Förderung und Unterstützung von PWDs zu leiten. Die Peer-Beratung ist besonders wertvoll, da selbst Betroffene sich am besten in die Situation von PWDs einfühlen können.

Umfassende Zusammenarbeit: Viele weitere Partner wirken in der Projektarbeit mit: das Gesundheitsministerium der Provinz, die Provinzorganisation für PWDs, das allgemeine Krankenhaus, das Provinzzentrum für Krankheitskontrolle, Bezirksgesundheitszentren im Projektgebiet, eine multidisziplinäre Gruppe zur Unterstützung der psychischen Gesundheit sowie Psychologie-Expertinnen und -Experten.

Screening & Bewertung psychischer Erkrankungen von Menschen mit Behinderungen und ihren Familien: PWDs und ihre Familienangehörigen werden von geschulten Fachkräften im Hinblick auf psychische Erkrankungen untersucht, zuerst im Rahmen eines vorläufigen Screenings (Stufe 1), anschliessend erfolgt ein detailliertes Screening (Stufe 2). Daraus werden wertvolle Erkenntnisse für die psychologische Unterstützung gewonnen.

Beratung & Förderung: In Selbsthilfegruppensitzungen, die von den geschulten Fachkräften geleitet werden, tauschen sich Betroffene in einer sicheren Umgebung über ihre Erfahrungen und Herausforderungen im Alltag aus. Sie werden für ihre psychische Gesundheit sensibilisiert und dazu ermutigt, ihre Emotionen auszudrücken und damit besser umzugehen, Stress zu reduzieren, erfolgreicher zu kommunizieren und soziale Kontakte zu pflegen. Zudem erarbeiten sie Bewältigungsstrategien für ihre individuellen Herausforderungen. In schweren Fällen psychischer Erkrankungen werden sie an spezialisierte Behandlungseinrichtungen überwiesen.

Öffentlichkeitsarbeit: Mittels Veranstaltungen werden PWDs und ihre Familien sowie die Öffentlichkeit im Allgemeinen für das Thema psychische Gesundheit von PWDs sensibilisiert. Die erste Veranstaltung ist für Ende Oktober 2025 geplant. Es werden grundlegende Kenntnisse über psychische Gesundheit und Selbsthilfe vermittelt. Zudem werden Möglichkeiten für Interaktion, Erfahrungsaustausch, gegenseitige Ermutigung und emotionalen Beistand geschaffen. Damit sollen wiederum der Zusammenhalt in der Gesellschaft gefördert und Unterstützungsnetzwerke gestärkt werden.

Resultate & Kennzahlen der GCCH-Projekte im Bereich der psychologischen Unterstützung (Stand: Ende September 2025):

Ukraine (seit Anfang 2024):

  • Standort Tschernihiw: Psychologische Betreuung von 488 Kindern
  • Standort Cherson: Psychologische Betreuung von 16 Kindern
  • Standort Sosnyzja: Psychologische Betreuung von 160 Kindern
  • Standort Nowhorod-Siwerskyi: Gruppentherapie mit 122 Jugendlichen und 228 Erwachsenen sowie Einzeltherapie mit 5 Kindern, 21 Jugendlichen und 58 Erwachsenen

Vietnam (seit Ende 2024):

  • Ende 2024-Anfang 2025: In einem «Training of Trainers»-Kurs wurden vier Menschen mit Behinderungen zu Peer-Berater:innen ausgebildet. Dadurch werden sie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zahlreiche andere Betroffene wirksam unterstützen können. Durch die anschliessende Peer-Beratung erhielten 20 Betroffene individuelle Unterstützung. Es besteht weiterhin Kontakt, um bei Fragen oder Problemen Unterstützung zu bieten.
  • 2025 (laufend): Peer-Beratung in Selbsthilfegruppen und individuell mit bisher 58 Personen
  • Mai 2025: Fachtreffen mit den obengenannten Akteuren des Gesundheitswesens, u.a. zwecks Verabschiedung des Projektumsetzungsplans.
  • Juli/August 2025: Zwei aufeinanderfolgende Schulungen mit 70 Teilnehmenden, darunter Peer-Berater:innen (PWDs), Dorfgesundheitshelfer:innen und Vertreter:innen der multidisziplinären Gruppe zur Unterstützung der psychischen Gesundheit (Vertreter:innen des Provinzzentrums für Krankheitskontrolle, des Provinzkrankenhauses, der medizinischen Hochschule, des Dorfgesundheitsvereins und der Schule für Kinder mit Behinderungen)
  • September 2025: Detailliertes Screening im Hinblick auf psychische Erkrankungen bei 90 PWDs und ihren Familien. Darauf aufbauend wird voraussichtlich im November 2025 ein Handbuch für die psychologische Unterstützung fertiggestellt.

Quellen:

10.08.2025

Verteilaktion zum Agent-Orange-Gedenktag

Verteilaktion zum Agent-Orange-Gedenktag

Unterstützung für bedürftige Betroffen in der Provinz Đắk Lắk (südliches Vietnam) 

Am 10. August wurde in Vietnam wieder der Agent-Orange-Gedenktag begangen. Er gilt der Solidarität mit allen, die unter den langwierigen Folgen des Chemiewaffeneinsatzes während des Vietnamkrieges leiden. 

Agent Orange, ein hochgiftiges Entlaubungsmittel, wurde zwischen 1965 und 1970 grossflächig versprüht. Die Folgen wirken bis heute fort: schwere und chronische Krankheiten, körperliche und geistige Behinderungen, Missbildungen bei Neugeborenen – oft über Generationen hinweg. 

Gerade im ländlichen Raum sind viele Familien betroffen, so auch in der Gemeinde Xã Ea Kly (Provinz Đắk Lắk, südliches Vietnam). Die meisten von ihnen leben unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen.
Oft fehlen stabile Einkommensquellen, die medizinische Versorgung ist unzureichend und die Pflege betroffener Angehöriger bindet alle Kräfte. 

Das Charity Project Krong Buk (CPKB), ein Partnerhilfswerk von Green Cross Switzerland (GCCH)  in Vietnam, hat es sich mit unserer Unterstützung zur Aufgabe gemacht, hier konkrete Hilfe zu leisten. Anlässlich des Agent-Orange-Gedenktags wurden 150 Familien, die nachweislich von den Spätfolgen betroffen sind, mit dringend benötigten Essenspaketen unterstützt. 

Jedes Paket enthielt Grundnahrungsmittel wie Reis, Nudeln, Speiseöl, Fischsauce und Bohnen.
Zusätzlich konnten wir Hygieneartikel beilegen, um auch in diesem Bereich etwas Entlastung zu schaffen. Die Verteilung fand bereits am 8. August im Gemeindehaus von Xã Ea Kly statt.
Vertreter:innen der Gemeindeverwaltung sowie der VAVA (“Vietnam Association for Victims of Agent Orange”) begrüssten die Familien und übermittelten ihre Dankbarkeit an die Unterstützer:innen des Projekts. 

Für GCCH ist der Agent-Orange-Gedenktag nicht nur ein Tag des Gedenkens. Er ist ein Tag des Handelns, des Bewusstseins und der Solidarität. Er erinnert uns daran, dass die Vergangenheit bis heute nachwirkt und dass wir die Verantwortung tragen, den unschuldigen Opfern in ihrer Not beizustehen. 

Mit dieser Aktion wollen wir nicht nur akute Not lindern, sondern auch Aufmerksamkeit schaffen – für ein Thema, das international oft in Vergessenheit gerät. 

Wir danken allen Spender:innen, Helfer:innen und Partner:innen, die diese Unterstützung möglich gemacht haben. Ihre Solidarität zeigt: Auch fernab der grossen Städte und jenseits medialer Schlagzeilen kann menschliche Verbundenheit Grosses bewirken. 

Zusammen mit dem CPKB wird GCCH auch künftig an der Seite der Betroffenen stehen.
Die nächste Initiative ist bereits in Planung – wieder mit dem Ziel, nachhaltige Hilfe zu leisten und die Lebensqualität zu verbessern.  

 Wir arbeiten weiter für eine Zukunft, in der niemand mit den Folgen von Agent Orange allein gelassen wird. 

Weiterführende Links:
Webpräsenz des Charity Project Krong Buk 

Interview mit unserem Projektpartner und CPKB-Geschäftsführer Peter Jenni 

25.07.2025

Jahresbericht 2024 – Green Cross Switzerland im 30. Einsatzjahr

2024 markierte das 30. Jahr, in dem sich Green Cross Switzerland (GCCH) für die Bewältigung der Folgen von Industrie- und Militärkatastrophen einsetzte. Zwei Länder sind über die Jahre zu zentralen Einsatzgebieten geworden: die Ukraine und Vietnam.

Seit 1998 unterstützt GCCH in Vietnam die Opfer von „Agent Orange“ – einem hochgiftigen Entlaubungsmittel, das während des Vietnamkriegs von den USA und ihren Alliierten eingesetzt wurde. Die gesundheitlichen Folgen sind bis heute gravierend. Ein Ende der Nachwirkungen ist nicht absehbar. Betroffene sind häufig ein Leben lang auf medizinische Versorgung und orthopädische Hilfsmittel angewiesen. Angesichts der unklaren Perspektiven für internationale Hilfe – insbesondere seitens der USA – baut GCCH sein Engagement in diesem Bereich weiter aus. Bereits 2024 wurde die Unterstützung verstärkt und soll 2025 weiter intensiviert werden.

Im zweiten zentralen Einsatzgebiet, der Region um Tschernobyl, konzentrierte sich GCCH im Jahr 2024 vor allem auf die Unterstützung von Menschen, die durch den anhaltenden Krieg in der Ukraine in eine Notlage geraten sind. Dabei verfolgt GCCH einen langfristigen Ansatz: Neben humanitärer Hilfe setzen wir auf eine nachhaltige Planung, um auch den Wiederaufbau betroffener Regionen aktiv mitzugestalten.

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, konnte GCCH sein starkes Fundament weiter festigen. „Das ermöglicht es uns, unsere Hilfsprojekte auszubauen und eine nachhaltige Unterstützung in unseren Kerngebieten sicherzustellen“, betont Martin Bäumle, CEO von GCCH.

Ein herzlicher Dank gilt Ihnen, unseren Spenderinnen und Spendern: Sie machen unsere Arbeit mit Ihrer wertvollen Unterstützung erst möglich – viele von Ihnen begleiten uns bereits seit vielen Jahren.

Der Jahresbericht 2024 bietet einen umfassenden Einblick in unsere Projekte und zeigt, was wir gemeinsam erreicht haben.

12.06.2025

Ukraine: auf Dauer angelegtes psychologisches Unterstützungsprogramm

Ukraine: auf Dauer angelegtes psychologisches Unterstützungsprogramm

Anfang 2024 hat Green Cross Switzerland ein Pilotprojekt zur psychologischen Unterstützung kriegsbetroffener Menschen in der Ukraine ins Leben gerufen (mehr dazu hier). Der Bedarf war und ist sehr gross. Zwar nahmen zu diesem Zeitpunkt viele Kindergärten ihren Betrieb wieder auf – doch prägten die Auswirkungen des Krieges das Leben der Menschen weiterhin stark. Besonders bei Kindern traten gravierende psychische Belastungen zutage: gesteigerte Ängstlichkeit, heftige Reaktionen auf Luftalarme und deutliche Anzeichen mentaler Überforderung. 

Anfänge in Tschernihiw

Den Auftakt machte unser Pilotprojekt in einem Kindergarten in Tschernihiw, der von rund 250 Kindern besucht wird. Schon dort zeigte sich sehr deutlich, wie gross der Bedarf an psychologischer Unterstützung ist. Die positiven Rückmeldungen der Eltern sowie das Ausmass und die Dringlichkeit der Herausforderungen bestätigten uns in der Entscheidung, unsere Hilfe weiter auszubauen.

Ausweitung auf Schulen, Jugendliche und Erwachsene

In einem nächsten Schritt begannen wir mit unserer Arbeit an Schulen in Nowhorod-Siwerskyj –  vor allem mit Jugendlichen, die in besonderem Masse unter den psychischen Belastungen des Krieges leiden. Bald erreichten uns auch Anfragen von Erwachsenen. Viele von ihnen zeigten Symptome einer posttraumatischem Belastungsstörung oder litten unter schweren Angstzuständen.

Als Reaktion darauf richteten wir in Nowhorod-Siwerskyj einen Raum für psychologische Beratung ein. Dort finden sowohl Einzelgespräche, insbesondere für Erwachsene, als auch regelmässige Gruppensitzungen für Jugendliche und junge Erwachsene statt. Auch krebskranke Patientinnen und Patienten werden hier psychologisch begeleitet.

Im Mai 2025 eröffneten wir einen weiteren Standort im Bildungs- und Rehabilitationszentrum in Sosnyzja. Hier werden Kinder mit Behinderungen, Autismus oder anderen besonderen Bedürfnissen betreut – in einem geschützten Rahmen, der auf ihre individuellen Bedürfnisse eingeht.

Auf Dauer angelegtes Programm

Was als Pilotprojekt begann, hat sich zu einem langfristig angelegten Unterstützungsprogramm entwickelt. Im Zentrum stehen Menschen, die direkt von den Folgen des Krieges betroffen sind – insbesondere Kinder, Jugendliche und Binnenvertriebene. Unser Ziel ist es, die psychische Belastung zu verringern, das emotionale Wohlbefinden zu stärken und soziale Teilhabe zu ermöglichen.

Angesichts des anhaltenden Bedarfs wird das Programm kontinuierlich erweitert – der nächste Schritt ist der Aufbau eines psychologischen Beratungsangebots in der Hafenstadt Odessa.

Kunsttherapie als zentrales Element

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf kunsttherapeutischen Ansätzen. In einem geschützten Rahmen erhalten Kinder die Möglichkeit, ihren Gefühlen durch kreative Ausdrucksformen Raum zu geben, sie zu verarbeiten und dabei innere Stärke sowie psychische Stabilität zu entwickeln. Sämtliche Angebote werden von einem interdisziplinären Team aus Psycholog:innen und Kunsttherapeut:innen fachkundig geleitet und sind auf die individuellen sowie altersspezifischen Bedürfnisse der Teilnehmenden abgestimmt.

Aktuelle Zahlen (Stand: Ende Mai 2025)

  • Standort Tschernihiw: Psychologische Betreuung von 438 Kindern
  • Standort Cherson: Psychologische Betreuung von 16 Kindern
  • Standort Sosnyzja: Psychologische Betreuung von 99 Kindern
  • Standort Nowhorod-Siwerskyi: Gruppentherapie mit 63 Jugendlichen und 107 Erwachsenen sowie Einzeltherapie mit 4 Kindern, 7 Jugendlichen und 26 Erwachsenen

11.05.2025

Medienbeiträge Ausstellung zum giftigen Erbe des Vietnamkriegs

Medienbeiträge Ausstellung zum giftigen Erbe des Vietnamkriegs

Die Geschichte des Vietnamkriegs zeigt, welche verheerenden Langzeitschäden Kriege anrichten und wie sich das Leiden oftmals weit über das Ende eines Konflikts hinaus über Generationen fortsetzt. Für die Opfer ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Öffentlichkeit sensibilisiert und das Thema stärker von den Medien bearbeitet wird.

Um einen Beitrag zu dieser Sensibilisierung zu leisten, wirkte GCCH an der Ausstellung «Krieg ohne Ende. Das giftige Erbe des Vietnamkriegs – 50 Jahre danach» mit. Hier finden Sie mehr Informationen dazu.

Die Ausstellung und ihre Thematik stiessen auf reges Interesse in den Medien:

Das Foto in diesem Artikel stammt von Roland Schmid.

13.04.2025

Ausstellung zum giftigen Erbe des Vietnamkriegs

Ausstellung zum giftigen Erbe des Vietnamkriegs

Ein warnendes Beispiel. Das ist der Vietnamkrieg für unsere von Krisen und Konflikten geprägte Gegenwart. Seine Geschichte zeigt, welche verheerenden Langzeitschäden Kriege anrichten und wie sich das Leiden oftmals weit über das Ende eines Konflikts hinaus über Generationen fortsetzt.

Hier setzen die Hilfsprojekte von Green Cross Switzerland (GCCH) an. Um die Öffentlichkeit stärker auf die Problematik zu sensibilisieren, wirkt GCCH an der Ausstellung «Krieg ohne Ende. Das giftige Erbe des Vietnamkriegs – 50 Jahre danach» mit:

Interessierte sind herzlich eingeladen, am 17. April um 18 Uhr an der Vernissage teilzunehmen. Diese bietet eine gute Gelegenheit, sich mit Vertreter:innen von GCCH auszutauschen, die Ausstellung gemeinsam mit uns zu erleben und natürlich mehr über unser Engagement in Vietnam zu erfahren. Auch wenn Sie für die Vernissage verhindert sind, möchten wir dazu ermutigen, die Ausstellung zu besuchen und mitzuhelfen, das Bewusstsein für die Spätfolgen des Vietnamkriegs zu schärfen. Wir freuen uns auf Sie!

Die in der Ausstellung gezeigten Bilder stammen von dem preisgekrönten Fotografen Roland Schmid. Ihn verbindet eine langjährige Zusammenarbeit mit unserem Partner, dem freischaffenden Journalisten, ebenfalls Fotografen und Filmemacher Peter Jaeggi. Aus Peter Jaeggis Feder stammt unter anderem das informative und tief bewegende Buch „Krieg ohne Ende. Chemiewaffen im Vietnamkrieg, Agent Orange und andere Kriegsverbrechen“. Wir legen Ihnen die Lektüre dieses Buches sehr ans Herz – hier erfahren Sie mehr dazu.

Engagement von Green Cross Switzerland

Am 30. April dieses Jahres jährt sich das Ende des Vietnamkrieg bereits zum fünfzigsten Mal. Die vielfältigen Folgen für die vietnamesische Bevölkerung sind in diesem halben Jahrhundert dramatisch geblieben. So sind beispielsweise die Auswirkungen des Krieges auf die sozialen Verhältnisse und die Psyche der Menschen nach wie vor stark spürbar. Unzählige Minen und nicht explodierte Bomben lauern bis auf den heutigen Tag in den Böden. Sie sorgen dafür, dass 50 Jahre später immer noch Menschen in Angst leben müssen, schwer verwundet werden, verstümmelt werden und sterben. Aber auch der Einsatz des Entlaubungsmittels Agent Orange durch die US-Luftwaffe und Alliierte der USA zwischen 1965 und 1970 wirkt bis heute fatal nach

Nach wie vor werden Kinder mit schweren körperlichen und geistigen Behinderungen geboren, die auf den Einsatz von Agent Orange zurückzuführen sind. Inzwischen ist bereits die vierte Generation betroffen. Ein Ende ist nicht in Sicht. Leider reichen auch die Bemühungen, den Betroffenen effektiv zu helfen, immer noch bei Weitem nicht aus. Hier setzt seit 1998 das Engagement von Green Cross Switzerland (GCCH) in Vietnam an. Einen Schwerpunkt bildet dabei die regelmässige Versorgung von Agent Orange-Betroffenen mit orthopädischen Hilfsmitteln. Diese Prothesen und Orthesen sind für viele Betroffene die Voraussetzung für ein selbstständig(er)es Leben und die Integration in die Gesellschaft. Oftmals sind die Hilfsmittel für sie aber unerschwinglich und werden nicht von der Krankenkasse finanziert.

Was angesichts dieser gravierenden Situation unsere Hilfsprojekte in Vietnam bewirken, wurde jüngst auch dem Schweizer Fernsehpublikum vermittelt: in einem Beitrag der SRF 1-Sendung «mitenand» am Sonntag, 23. März, um 19:15 Uhr (hier zu sehen). Hier wird gezeigt, wie durch GCCH finanzierte Prothesen das Leben eines 9jährigen vietnamesischen Jungen namens Quyet grundlegend und positiv verändern konnten. Die Geschichte von Quyet zeigt exemplarisch, was wir für Tausende von Betroffenen erreichen konnten und können – dank unseren hochgeschätzten Projektpartnern, unseren Spenderinnen und Spendern.

Weiterführende Links:

Das Foto in diesem Artikel stammt von Roland Schmid.

10.04.2025

Interview mit Projektpartner Peter Jenni

Interview mit Projektpartner Peter Jenni

Die Liebe zu Vietnam und seinen Menschen ist es, die das philanthropische Wirken von Peter Jenni antreibt. Zusammen mit seiner Frau Tran Thi Hiep hat der Schweizer, der seit Dezember 2016 in Vietnam lebt, das Charity Project Krong Buk (CPKB) ins Leben gerufen. Dieser Verein mit Sitz in der Schweiz leistet seit 2020 wertvolle soziale Unterstützung für bedürftige Menschen. Darunter sind zahlreiche Betroffene der Spätfolgen des Einsatzes von Agent Orange im Vietnamkrieg. Oft haben sie schwere geistige oder körperliche Behinderungen. Hier liegt auch der Schwerpunkt der Zusammenarbeit mit Green Cross Switzerland (GCCH), welche seit zwei Jahren besteht. Diese Zusammenarbeit bildet eine wertvolle Ergänzung zu den anderen Projekten von GCCH in Vietnam. Das CPKB bringt konkrete Hilfe, Freude und Hoffnung in das Leben von Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind. Wo möglich ebnet es ihnen auch den Weg zur selbstständigen Verbesserung ihrer Lebensumstände.

Mit dem vorliegenden Interview möchten wir die Person Peter Jenni und die von uns unterstützte Arbeit des CPKB unseren Spenderinnen und Spendern sowie anderen Interessierten näherbringen. Die Fragen stellte GCCH-Mitarbeiter und Historiker Samuel Müller-Zwahlen.

Lieber Peter, wer bist Du? Wie würdest Du Dich beschreiben und wie sieht Dein Lebensweg aus?
Mit einem Wort: ich bin ein „Seebueb“ [Seejunge]. Beschreiben sollten mich eigentlich andere. Aber: ich kann sagen, dass ich ein Mensch mit zwei Heimatländern bin. Einerseits bin ich überzeugter Schweizer Bürger. Andererseits möchte ich meinen zweiten Lebensabschnitt in Vietnam verbringen und habe dieses Land bewusst als zweite Heimat gewählt.
Zurück zum „Seebueb“: Geboren bin ich zwar in Zürich Seebach [nomen est omen!], habe aber den Grossteil meiner Kindheit und Jugend in Rüschlikon am Zürichsee verbracht. Das hat mich sehr stark geprägt. In Rüschlikon gab es ein autonomes Jugendzentrum. Schon im jungen Alter wirkte ich dort im Vorstand mit. Später heiratete ich –  meine zwei Söhne, Marc und Jan, kamen 1990 und 1992 zur Welt. Sie wuchsen am Walensee auf, wo wir über 20 Jahre wohnten.
Auch in Vietnam zog es mich ans Wasser. Ich wollte ein Haus am Meer. Daraus wurde aus zwei Gründen nichts: erstens war das Wohnen am Meer sehr teuer und zweitens hatte ich Bedenken aufgrund des Klimawandels, d.h. wegen des Ansteigens des Meeresspiegels und des häufigeren Auftretens von Stürmen. In der Küstenstadt Nha Trang, wo ich anfangs lebte, habe ich einen solchen Sturm erlebt und kam zum Schluss, dass das nicht in Frage kommt. Dann entdeckte meine Frau ein schönes Grundstück an einem See. Und so kam es dazu, dass ich wieder an einem See lebe.

Es ist also klar: für Dich ist See Heimat.
Ja! Auch heute noch verweile ich jeweils kurz, wenn ich zu einem See komme. Seen geben mir Halt. Der Blick in die Weite, die aber nicht unendlich ist, zieht mich an.

Wie bist Du nach Vietnam gekommen?
Das ist eine etwas längere Geschichte. Ich habe 20 Jahre mit einem 50 %-Pensum Öffentlichkeitsarbeit für die Lebensmittelkontrolle und das Veterinäramt St. Gallen gemacht. Die andere Hälfte meiner Arbeitszeit widmete ich meiner Firma TEXTartelier. Daneben fuhr ich Mountainbike-Rennen. Irgendwann wuchs mir das alles über den Kopf – ein Burnout drohte. Zum Glück holte ich mir noch rechtzeitig Hilfe. Mein Therapeut riet mir zu einer längeren Auszeit. Diese ermöglichte mir der Kanton St. Gallen. Die Zeit nutzte ich für – langsameres – Radfahren. Ich schaute auf die Landkarte und kam auf Vietnam, das ich vorher nicht kannte. So plante ich eine Radtour, die mich von Nord- bis nach Südvietnam führte. Nach ungefähr sechs Wochen kam ich nach Nha Trang – und kam zum Schluss: in Vietnam will ich leben. Das Klima, aber auch die lebensfrohen Menschen hatten es mir angetan. Das Leben hier ist einfacher und wohl deshalb auch fröhlicher als in der Schweiz.
Von einem Hotel in Saigon aus plante ich sodann meine Auswanderung nach Vietnam. Es stellte sich heraus, dass diese gut zu bewerkstelligen sein sollte. In dieser Zeit lernte ich auch meine Frau kennen. Ich ging dann noch für ein Jahr in die Schweiz zurück, verabschiedete mich und bereitete meinen Umzug vor.
Dazwischen kam dann allerdings der Zungenkrebs. Ich musste mich einer Operation und Bestrahlungen unterziehen. Zu den Ärzten sagte ich: Ihr könnt machen, was Ihr wollt, aber Ende Jahr gehe ich nach Vietnam. Einer der Ärzte, ein Kettenraucher mit einem beeindruckenden Bart, fragte mich dann, was ich dort essen würde, mit den durch die Erkrankung eingeschränkten Möglichkeiten. Meine Antwort: Bier essen und Wein trinken! Das überzeugte ihn. Heute komme ich gut zurecht. Auch die medizinische Versorgung ist auf gutem Niveau – leider aber nur für diejenigen, die es sich leisten können.

Gibt es noch andere Dinge, die Dich an Vietnam besonders faszinieren? Was bedrückt Dich allenfalls auch? Wie würdest Du das Land einem Schweizer beschreiben, der es noch nicht aus eigener Anschauung kennt?
Mit gewissen Ausnahmen – wie z.B. Behördengängen –, ist das Leben in Vietnam wirklich sehr viel lockerer und einfacher. In der Regel sind die Leute sehr offen, fröhlich und hilfsbereit. In der Schweiz ist man nicht so daran gewöhnt, dass fremde Leute auf einen zugehen. In Vietnam ist das hingegen üblich. Sehr angenehm finde ich auch, dass man keine Angst zu haben braucht, dass einem das Handy oder Portemonnaie gestohlen wird. Aufpassen muss man hingegen, wenn man eine Frage stellt. Statt „ich weiss es nicht“ könnte gut eine falsche Antwort zurückkommen. Denn man gibt ungern zu, etwas nicht zu wissen. Die Leute schätzen das gemütliche Leben – und sind sehr arbeitsam. Niemand fragt, ob es Samstag oder Sonntag ist. Aber auch für das fröhliche Beisammensein nimmt man sich sehr gerne Zeit, besonders auf dem Land. Allein ist man im Gegensatz zur Schweiz kaum. Damit hängt zusammen, dass das generationenübergreifende Wohnen im gleichen Haus üblich ist. Das ist oft auch nötig, sogar lebensnotwendig. Viele Menschen sind im Alter auf die Unterstützung ihrer Kinder angewiesen. Es gibt kaum Altersheime und die Renten sind sehr tief – sofern man überhaupt eine Rente bekommt. Auf wohlhabendere Zeitgenossen trifft man öfters in der Stadt, z.B. in gehobenen Hotels. Sie sind manchmal protzig im Auftreten. Nicht selten handelt es sich um Neureiche.
Was mich bedrückt: die Armut. Für jemanden, der so lebt wie ich, ist die Armut sehr spürbar.

In diesem Bereich engagierst Du Dich aktiv. Wie ist das Charity Project Krong Buk entstanden?
Wenn ich am Morgen mit meinem Töff das Haus verliess, um z.B. einen Kaffee trinken zu gehen, war ich oft schlecht gelaunt. Dann kann ich aber mit dem Ede-Volk in Kontakt. Das Ede-Volk ist eine in meiner Nachbarschaft lebende Minderheit, die oft in Langhäusern wohnt, welche nur aus einem Raum bestehen. Diese Langhäuser stehen oft in schlammigem, sumpfigem Gebiet. Oft kamen mir dort fröhlich lachende, dreckverschmierte Kinder entgegen. Ihre Freude war ansteckend! Ich fragte mich: warum sind sie so fröhlich? Und warum bin ich, Peter Jenni, ein Miesepeter? Der Wunsch wurde stark in mir, den Kindern etwas zurückzugeben.
Meine Frau erkundigte sich bei der Gemeinde nach den Bedürfnissen der Ede-Kinder. Es stellte sich heraus, dass die Familien oft zu wenig Geld für Schulmaterial wie Bücher, Schreibutensilien oder einen Schulrucksack hatten. Alles müssen die Familien selber finanzieren, auch die Schuluniform. Kinder, deren Familien sich die Schuluniform nicht leisten können, sind von bestimmten Anlässen der Schule ausgeschlossen. Das vietnamesische Schulsystem basiert zudem auf Nachhilfe, über die sich die Lehrerinnen und Lehrer ihren tiefen Lohn aufbessern. Die Eltern müssen das bezahlen. Meine Frau begann also, mit Schulen zu sprechen. Wir finanzierten u.a. Rucksäcke und Schulbücher.
Schnell wurde klar, dass es eine geeignete Struktur für diese Unterstützung brauchte. So entschied ich mich, im schweizerischen Appenzell einen gemeinnützigen Verein zu gründen. Dafür nutzte ich auch meine Kontakte in der Schweiz.

Wie ging es dann weiter?
Rasch trafen erste Spenden ein. Und immer mehr Anfragen um Unterstützung. Seither stehen wir bedürftigen Menschen in unserer Region Đắk Lắk zur Seite. Wir geben nie Geld, sondern leisten immer Sachhilfe – immer auch in Zusammenarbeit mit der Gemeinde, Schulen, der Frauengewerkschaft oder der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV). Ohne diese Partner wäre es uns nicht möglich, effiziente Hilfe zu leisten. Schon die Abklärungen und Kontrollen könnten wir nicht alle selbst durchführen.

Wie überzeugt Ihr Euch aber selbst von der Effektivität Eurer Hilfeleistungen und stellt diese sicher?
Wir evaluieren auch selbst, ob unsere Hilfe angebracht ist. Z.B. erhalten gewisse Agent Orange-betroffene Familien, die uns anfragen, bereits hinreichend Unterstützung aus anderer Quelle. Dann lehnen wir zugunsten anderer ab, die uns dringender brauchen. Was auch gut funktioniert, ist Hilfe zur Selbsthilfe: beispielsweise dass wir eine Kuh, die uns gehört, zur Verfügung stellen und als Gegenleistung einen Teil des erwirtschafteten Erlöses bekommen. Dafür übernehmen wir zudem gewisse Leistungen wie die Finanzierung von tierärztlichen Untersuchungen und Behandlungen. Dieses Modell läuft seit einem Jahr und es treffen bereits erste Zahlungen ein. Statt nur Hilfe zu empfangen, werden die unterstützten Menschen auf diese Weise zu aktiven Partnern. Sie tragen selbst zur Verbesserung ihrer Situation bei und übernehmen Verantwortung.

Wie ist die seit rund zwei Jahren bestehende Zusammenarbeit mit GCCH entstanden?
Bei der Vereinsgründung suchte ich nach Vorstandsmitgliedern. Da kam mir mein lieber Freund, Pfarrer und GCCH-Mitarbeiter Jakob Vetsch in den Sinn. Als erster Journalist schrieb ich damals, vor rund 30 Jahren, über seine Internet-Seelsorge. Zudem war [GCCH-Gründer] Roland Wiederkehr mein Primarlehrer in Uitikon-Waldegg. Seine Arbeit habe ich immer etwas verfolgt, allerdings hatten wir nach meiner Schulzeit keinen persönlichen Kontakt mehr. Natürlich verbindet mich auch die Agent Orange-Problematik mit dem Engagement von GCCH. Erst durch die Kooperation wurde mir bewusst, wie stark Ihr Euch in diesem Bereich engagiert. Und auch nachhaltig und effektiv. Es ist toll, dass man mit relativ wenig Spenden-Geldern viel erreichen kann: beispielsweise kann mit nur 300 Franken ein Tagesstättenplatz für ein schwer von Agent Orange geschädigtes Kind für ein ganzes Jahr finanziert werden. Und Angehörige können dadurch arbeiten und die Familie aus der Armut befreien.

Du bist bereits auf Deine Motivation für Dein Engagement eingegangen, könntest Du das bitte noch etwas vertiefen?
Etwa 50 % des Ede-Volkes sind Analphabeten. Meine Meinung ist, dass der erste, zentrale Schritt aus der Armut die Bildung ist. Deshalb legen wir einen Fokus auf die Schule, als Ansatz für eine langfristig wirksame Hilfe. Kleine Hilfen – wie ein Taschenrechner für 8 Franken, den sich die Familie nicht leisten kann – können einen entscheidenden Unterschied machen. Bildung versetzt junge Leute in die Lage, ihre Familie aus der bitteren Armut zu befreien. Z.B. finden sie Arbeit in einer Stadt und können so die Familie unterstützen. Das ist für mich eine zentrale Motivation.
Erst kürzlich haben wir wieder Schulrucksäcke an einer Schule verteilt – die Freude war gewaltig und hat mich tief berührt. Die Kinder sind froh, überhaupt in die Schule gehen zu können. Für vieles, was für uns selbstverständlich ist, sind sie zutiefst dankbar.

Gibt es weitere Erfolgsprojekte, deren Effektivität Du hervorheben würdest?
Ja, neben dem genannten Beispiel der Zusammenarbeit mit Schulen denke ich an Essenslieferungen für sehr bedürftige Personen, die wir dank GCCH bereitstellen können. Gerne zeige ich das am Beispiel einer 80jährigen Frau auf. Ihre 40jährige Tochter ist schwer von Agent Orange geschädigt und auf ständige Betreuung und Pflege angewiesen. Sie kann nur auf dem Bett oder auf dem Boden liegen. Als ich sie das erste Mal sah, schrie sie nur. Es war schwer erträglich. Doch dann wurde mir gesagt, sie freue sich sehr über meinen Besuch. Die Tochter kann nicht in einem Heim betreut werden. Die 80jährige Mutter muss sowohl arbeiten als auch ihre Tochter pflegen. Für 40 Fr. können wir sie und ihre Tochter einen ganz Monat lang mit den nötigsten Lebensmitteln unterstützen – eine kleine Investition, die einen grossen Unterschied macht.
Zudem ist es sehr wertvoll, dass wir Agent Orange-Betroffene identifizieren und medizinische Abklärungen und Hilfe für sie organisieren können. In diesem Bereich arbeiten wir gut mit GCCH, aber z.B. auch mit der DAVA [Da Nang Association for Victims of Agent Orange] zusammen.

Was hat Dich ausserdem besonders emotional geprägt bei der Arbeit?
Allgemein die Begegnung mit Menschen, die besonders schwere Gebrechen haben. Das geht unter die Haut. Es ist manchmal nur schwer erträglich. Aber es gibt einem viel, nicht nur hilflos zuzusehen, sondern aktiv zur Verbesserung der Situation beizutragen. Sehr berührend ist wie beschrieben die grosse Fröhlichkeit und Dankbarkeit. Die Freude der Menschen mit schweren Behinderungen ist für uns z.T. schwer nachzuvollziehen. Von den Angehörigen, die sie gut kennen, wird mir aber versichert: sie freuen sich auch.

Und was war bisher die grösste Herausforderung?
Zentral ist, genügend Spenden für die Projekte zusammenzubekommen. Ansonsten kommen wir mit der Arbeit gut zurecht. Meine Frau ist für den Einkauf von Hilfsgütern zuständig, ich für das Fundraising. Um die Abklärungen für die Hilfsprojekte und deren Durchführung kümmern wir uns gemeinsam.
Ein Problem, das verstärkt bearbeitet werden müsste, wäre das Littering, das in Vietnam eine grosse Herausforderung darstellt. Auch in diesem Bereich könnte man bei der Bildung ansetzen und das Verantwortungsbewusstsein des Menschen, speziell auch der Kinder und Jugendlichen, für die Umwelt fördern.

Was wünschst Du Dir für die Zukunft?
Erst einmal ist es mir ein Anliegen, GCCH zu danken. Die Zusammenarbeit ist auf zwei Arten für mich sehr wertvoll: erstens ist sie für mich eine zusätzliche Verbindung zu meiner zweiten Heimat, der Schweiz. Zweitens macht die Arbeit von GCCH einen substanziellen Unterschied für die Menschen.
Was ich mir wünsche: dass die Arbeit kontinuierlich weitergeführt werden kann. Und dass wir uns weiterhin gegenseitig unterstützen können.

 Wir können den Dank nur von Herzen zurückgeben. Für uns ist es unglaublich wichtig, Partner vor Ort zu haben, die unsere Haltung teilen und denen wir unser Vertrauen schenken können.
Das sehe ich auch so, ich freue mich auf die zukünftige Zusammenarbeit!

Wir auch, lieber Peter – vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

09.04.2025

Vergiftet. Verletzt. Vergessen: Ausstellung zu den Langzeitfolgen des Vietnamkriegs

Ein halbes Jahrhundert nach Ende des Vietnamkriegs haben viele längst weggeschaut – zu Unrecht. Denn der Krieg ist nach wie vor von trauriger Aktualität für hunderttausende Menschen und ihr Umfeld. Green Cross Switzerland engagiert sich für die Betroffenen der Langzeitfolgen.

Viel zu oft wird der Vietnamkrieg als abgeschlossenes Kapitel betrachtet. Realität ist das Gegenteil: die verheerenden, brandaktuellen Spätfolgen sind ein warnendes Beispiel für unsere von Krisen und Konflikten geprägte Gegenwart. Für die Opfer ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Öffentlichkeit sensibilisiert und das Thema stärker von den Medien bearbeitet wird. Um die Thematik aus nächster Nähe zu beleuchten, beteiligt sich Green Cross Switzerland (GCCH) an der Ausstellung „Krieg ohne Ende“ in der Photobastei Zürich.

50 Jahre nach dem Vietnamkrieg – die Folgen sind noch nicht vorbei

Auch 50 Jahre später leiden Hunderttausende an den Spätfolgen. Unzählige Minen und nicht explodierte Bomben schlummern in den Böden. Sie haben seit 1975 rund 100‘000 Menschen schwer verletzt, verstümmelt oder getötet. Diese Gefahr überschattet heute noch das Leben vieler. Noch zahlreicher sind die Opfer eines anderen bösen Vermächtnisses des Krieges: Agent Orange.  Diese von den USA und ihren Alliierten eingesetzte Chemiewaffe hat Generationen krank gemacht und vergiftet. Und ständig kommen neue Betroffene hinzu: auch dieses Jahr
werden wieder Kinder mit schweren körperlichen und geistigen
Behinderungen geboren. Ein Ende ist nicht in Sicht.

«Die Menschen, die unter diesen Folgen leiden, sind nicht nur Teil der Vergangenheit – sie sind ein Teil unserer Gegenwart. Ihr Schicksal erinnert uns daran, wie schrecklich und wie schrecklich lang Kriegsfolgen sein können», erklärt der Journalist Peter Jaeggi, der zusammen mit dem Fotografen Roland Schmid mehrere Bücher über Agent Orange veröffentlicht hat.

Leben retten – Hoffnung geben

Viele Familien können sich notwendige Behandlungen nicht leisten – und hoffen vergeblich auf Hilfe. Hier setzt GCCH seit 1998 mit seinem vielfältigen Engagement in Vietnam an. Es umfasst u.a. Prothesen, Orthesen, chirurgische Eingriffe und Rehabilitation. Dank dieser Unterstützung können Kinder die Schule besuchen. Wer die reguläre Schule nicht besuchen kann, bekommt von GCCH einen Tagesstättenplatz finanziert. Dies ermöglicht es Angehörigen, einer bezahlten Arbeit nachzugehen und ihre Familie aus der Armutsfalle zu befreien. Investitionen in Solaranlagen für Tagesstätten sind sowohl ein Beitrag zur Nachhaltigkeit als auch zur deutlichen Senkung der Stromkosten, welche der Pflege und Betreuung zugutekommt. GCCH fördert zudem die Aus- und Weiterbildung von medizinischem Personal und arbeitet mit ehrenamtlichen Schweizer Spezialist:innen zusammen. Das Ziel: immer mehr Betroffenen effektiv und nachhaltig helfen.

«Krieg ohne Ende» – eine Ausstellung, die unter die Haut geht

Die dramatischen Auswirkungen des Krieges auf die Gegenwart Vietnams werden im Rahmen der eindrücklichen Ausstellung „Krieg ohne Ende“ in der Photobastei gezeigt. Organisiert wird die von GCCH unterstützte Ausstellung von dem Buchautor Peter Jaeggi, einem ausgewiesen Agent-Orange-Kenner, sowie dem preisgekrönten Fotografen Roland Schmid. An die 200 seiner Fotografien geben Einblick in die Seele Vietnams. Mit grosser Kraft vermitteln sie Schicksale, die unter die Haut gehen.

Die Ausstellung ist vom 18. April bis 11. Mai zu sehen. Interessierte sind herzlich zur Vernissage am 17. April um 18 Uhr eingeladen.

Kontakt für Rückfragen und Interviews:

Peter Jaeggi, freischaffender Autor, Tel. 079 330 38 03
Roland Schmid, freischaffender Fotograf, Tel. 079 507 12 19
Martin Bäumle, CEO von Green Cross Switzerland, Nationalrat, Tel. 079 358 14 85

Für schriftliche Anfragen: media@greencross.ch

21.03.2025

Dringend nötiges Engagement in Quang Tri

Dringend nötiges Engagement in Quang Tri

Die Provinz Quang Tri gehört zu den Gebieten Vietnams, die am stärksten von den Langzeitfolgen des Vietnamkriegs betroffen sind. Green Cross Switzerland (GCCH) ist es ein grosses Anliegen, auf diese Langzeitfolgen aufmerksam zu machen. Bis heute sind die Bemühungen, diesen Langzeitfolgen wirksam zu begegnen, unzureichend geblieben. Genau deshalb ist GCCH seit 1998 in Vietnam aktiv.

Doch es gibt sogar Rückschritte: Die neue US-Regierung hat die sehr wichtige Dekontaminierung von Gebieten, die besonders von Agent Orange und Blindgängern betroffen sind, gestoppt. Dieser Schritt steht im Widerspruch zur historischen Verantwortung der USA. Dazu ist anzumerken, dass die USA bisher keine klassische Entwicklungshilfe für Agent Orange-Betroffene geleistet, sondern zur Wiedergutmachung der verursachten Schäden beigetragen haben.

In den 60er- und frühen 70er-Jahren bombardierte die US-Luftwaffe Vietnam massiv. Schätzungsweise zwei Millionen (!) der damals abgeworfenen Bomben schlummern weiterhin in den Böden. Sie bedrohen das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Bevölkerung. Die Zahl der Opfer seit dem Kriegsende 1975 wird auf 100’000 geschätzt.

Ausserdem wurde damals die Chemiewaffe Agent Orange ausgebracht. Darauf ist zurückzuführen, dass seit Generationen jedes Jahr unzählige Kinder mit schweren körperlichen und geistigen Behinderungen geboren werden.

Die Provinz Quang Tri gehört zu den Gebieten, die von diesen Langzeitschäden besonders stark betroffen sind. Die Zahlen sind eindrücklich: Weniger als 1 % der Bevölkerung lebt in der Provinz, die etwas mehr als 1 % der Landesfläche umfasst. Die Einwohner:innen machen jedoch rund 10 % der Blindgänger-Opfer in Vietnam aus.

Entsprechend klar war es für GCCH, sich hier zu engagieren. Seit letztem Jahr arbeiten wir mit der Organisation ACDC zusammen, welche bedürftigen Menschen mit Behinderungen in der Provinz zur Seite steht. Wichtige Aufgaben nimmt die Organisation im Bereich der sozialen und psychologischen Unterstützung, der Rehabilitation, der orthopädishen Hilfe und des barrierefreien Wohnens wahr (mehr dazu hier).

Für uns steht fest: Gerade jetzt ist es wichtig, die Arbeit weiter auszubauen, um den Betroffenen von Agent Orange und anderer Langzeitfolgen des Vietnamkriegs zur Seite zu stehen.

Weitere Informationen:

People’s World-Artikel

Website unserer Partnerorganisation ACDC